Am 13.7.2010 verlassen wir gemeinsam mit der Infinity zu Sonnenuntergang Grenada und nehmen Kurs auf die Testigos. Bei teilweise achterlichem (seitlich hinten) Wind können wir die Genua (Vorsegel) ausbaumen und mit 6 Knoten Geschwindigkeit einen Schmetterling fahren (dabei steht das Großsegel auf einer und das Vorsegel auf der anderen Seite). Kurz vor der Inselgruppe begrüßt uns ein Rudel Delfine und spielt um unser Boot herum fangen. Sie schwimmen so dicht vor dem Bug von Aroha vorbei, dass ich Angst habe, sie zu überfahren. Selbstverständlich sind sie wesentlich schneller und es besteht daher keine Gefahr. Bereits kurz nach Mittag ankern wir vor einer winzigen Insel der Testigos. Dieses Inselchen erinnert an die typischen Südseeinselfotos, weißer Strand, Palmen, eine Hütte oder eher ein Unterstand und sonst gar nichts. Außer unseren Booten liegt nur ein weiters Segelschiff und ein Motorboot in der Bucht. Später kommen noch zwei deutsche Einhandsegler dazu, die Eric bereits in Grenada beim Fußball schauen kennengelernt hat. Nachdem Segel und Seilwerk verstaut sind, schwimmen wir eine Runde und faulenzen während des Nachmittags. Den Sundowner nehmen wir gemütlich auf der Infinity.
Am nächsten Tag gehen wir auf dem Inselchen spazieren und weihen zum Sonnenuntergang unsere neue Picknickdecke mit einem Apero am Strand ein. Inzwischen sind wir allein, weil die andere Boote abgefahren sind.
Tags darauf segeln wir um 7 Uhr morgens los nach Porlamar auf der Isla Margarita, wo wir am späten Nachmittag eintreffen. Von Porlamar sehen wir vor allem Hochhäuser, was nicht so ganz unserem Geschmack entspricht. In der Ankerbucht legen zahlreiche Schiffe. Margarita ist Zollfreigebiet und venezolanische Touristenhochburg. Daher ist die Versorgungslage exzellent und günstig. Besonders Alkohol ist sehr billig, wodurch auch viel Gesindel angezogen wird. Diebstähle und Überfälle sind hier häufiger als in anderen Teilen Venezuelas. Deshalb ziehen wir es vor, nur über Nacht zu ankern und ein letztes Mal vor dem Festland im Meer zu schwimmen. Über der Insel wetteifern Gewitter, Feuerwerk und Böller um die Vorherrschaft.
Nach einer viel zu kurzen Nacht geht es um 4 Uhr früh weiter. Leider müssen wir die gesamte Strecke motoren, weil kein Wind weht. Eric fühlt sich nicht wohl und verbringt beinahe den ganzen Tag im Bett. Für die Delfine macht er ein Ausnahme, wieder spielen sie fangen und einer schwimmt ständig am Rücken, das haben wir noch nie zuvor gesehen.
Kurz nach Sonnenuntergang legen wir in der Marina Bahia de Redonda in Purto la Cruz neben der Infinity an. Am Steg haben sich außer den Marineros, die beim Anlegen behilflich sind, einige französische Segler eingefunden, um uns herzlich willkommen zu heißen. Heidi und Bruno waren bereits einige Monate vorher hier im Hafen gewesen und kennen einige Segler und die Einrichtungen. Eric hat starke Kopfschmerzen und wie sich herausstellt auch Fieber und geht gleich wieder ins Bett, das er auch die nächsten Tage noch hütet. Das Fieber ist zwar nicht hoch aber hartnäckig und auch Heidi hat das Virus erwischt und liegt darnieder.
In der Marina gibt es einen Swimmingpool, in dem wir nach Heidi und Erics Gesundung mehrmals täglich ein leider zu warmes Bad nehmen. Auch einige Leguane laufen herum, flüchten aber sofort, wenn wir uns nähern.
Im Hafen ist es sehr sicher, doch die Vielzahl der Wächter beweist, dass es rundherum nicht zum Besten steht. Die beiden Tore sind immer geschlossen und müssen von einem Wächter geöffnet werden. Wenn er dich nicht kennt, musst du angeben, zu welchem Boot du gehörst und alles wird notiert. Beim Hinausfahren wird der Kofferraum und das Wageninnere der Arbeiterautos kontrolliert. Nachts sind auch die Wachtürme rundherum besetzt und ein Sicherheitsmann steht bei der meerseitigen Hafeneinfahrt. Die Marina liegt am Rande des Barrio des Elendsviertels von Puerto la Cruz. Tagsüber kann man unbehelligt in die kleinen Restaurants am benachbarten Strand gehen oder am nächsten Eck in den Bus oder ein Sammeltaxi einsteigen, um zum Markt oder ins Zentrum zu fahren. Wertsachen soll man sowieso nicht dabei haben und nur das notwendige Geld. Während unseres Aufenthalts ist „nur“ einmal einer Französin eine kleine Handtasche entrissen worden. Geld war fast keines darin aber ein Fotoapparat, für den sie gerade ein wasserfestes Gehäuse gekauft hatten. Sie wollte gerade mit ihrem Mann und einem befreundeten Paar ins nahende Taxi steigen, als zwei Burschen auf einem Fahrrad ankommen, die Tasche entreißen und davon fahren. Ihr Mann springt ins Taxi, sie können die Diebe auch noch ein Stück verfolgen, doch dann entkommen sie in einen schmalen Weg in die Slums.
Grundnahrungsmittel sind in Venezuela sehr preiswert und auch die meisten anderen Produkte sind günstig oder zumindest nicht teurer als bei uns. Und 100l Benzin kosten 1 (einen!) Euro und der Diesel sogar nur die Hälfte. Strom und Gas sind für die ärmeren Einwohner gratis.
Die meiste Zeit verbringen wir mit Heidi und Bruno bis zu ihrer Abreise Anfang August. Mittwochs ist Barbecue und Freitags Apero am Swimmingpool. Da sitzen wir mit den wenigen Nichtfranzosen zusammen. Außer Heidi und Bruno sind das Diane und Harald aus Texas, die nach ihrer Weltumsegelung vor etlichen Jahren hier gestrandet sind und sich insbesondere um die vielen Katzen der Marina kümmern, Margret und Hans aus Holland, die aber längere Zeit in Amerika gelebt und gearbeitet haben, Jeanny und George aus Amerika, sowie Virginia und Jose von der Cap's III aus Spanien. Die beiden wollen auch kommenden März durch den Panamakanal fahren und vielleicht können wir ihn gemeinsam durchqueren.
Beim Barbecue ist es üblich, dass jeder sein Grillgut und seine Getränke selbst mitbringt, sowie eine Beilage oder eine Nachspeise für alle. Die Franzosen bilden eigene Gruppen, da sie erst zu Grillen beginnen, wenn die anderen bereits zurück auf ihre Boote gehen. Eric bleibt manchmal noch, um mit ihnen zu plaudern.
Jeden Mittwoch morgen fahren Diane, Margret und Jeanny zum Markt. Einige Male schließe ich mich ihnen an, bei größeren Einkäufen geht auch Eric mit. Der Mercado ist sehr groß und bei der starken Konkurrenz wird man auch als Ausländer nicht betrogen. Wir können das Obst und Gemüse auch selbst aussuchen. Die Waagen hängen von den Decken der Stände und sind sicher nicht sehr genau. Haben wir nicht ganz ein oder ein halbes Kilo ausgewählt, geben sie noch etwas dazu. Der Markt ist immer gut besucht, zwischen den Ständen drängeln sich Männer mit Schubkarren durch, die Leute beim Einkaufen begleiten. Sie können die Waren in den Schubkarren tun und dieser wird dann bis zum Auto geschoben.
Apropos Autos. Die meisten Fahrzeuge sind uralte amerikanische aus den 70-er oder 80-er Jahren. Man könnte glauben, dass man sich in den Kulissen zu einem alten Hollywoodfilm befindet. Auch die Sammeltaxis gehören zu dieser Kategorie und halten teilweise nur mehr mittels Klebestreifen zusammen. Die Innenausstattung ist meistens nur mehr rudimentär vorhanden. Und auch die Autobusse entstammen einer vergangenen Epoche.
In einigen Tagen setzen wir den Bericht mit unserem Besuch des Orinoco Deltas fort.